Für alle, die keine Zeit haben
Die Ermittlung eines Zeitpolizisten
So tönt es aus den Lautsprechern. Ich bin ein Zeitpolizist und es ist meine Aufgabe, die Zeitverschwendung zu kontrollieren. Ich habe einen strengen Zeitplan. Um sieben Uhr höre ich die Sirene, dann habe ich fünf Minuten zum Zähneputzen und zehn Minuten zum Frühstücken. Der Bus kommt pünktlich und ich fahre fünfzehn Minuten zur Arbeit. Nachdem ich zwei Stunden in den Archiven gearbeitet habe, verbringe ich zwei Stunden zur Ermittlung der Verdächtigen und dann brauche ich eine halbe Stunde zum Mittagessen. Gleich danach erstatte ich innerhalb von genau vier Stunden meine Berichte vor dem Gericht. Nach dem Verfahren verbringe ich wieder vier Stunden damit, die Verdächtigen zu beobachten und wenn notwendig verhaften. Zum Schluss widme ich zwei Stunde zur gemeinnützigen Arbeit. Punkt zehn Uhr schlafe ich ein. Das ist mein Tag und ich bin stolz darauf, dass ich keine Zeit vergeude.
Heute ermittle ich einen neuen Fall. Er arbeitet mit dem Chronometer. Er errechnet die Zeit, damit die Bürger genau wissen, wie viel Zeit sie für ihre Aufgaben haben. Er ist ein Kollege von mir, aber neulich hat er sich abends zur Gemeinschaftsarbeit verspätet. Wo ist er geblieben? Ich verdächtige ihn, dass er sich Zeit zum Nachdenken nimmt. Das ist ein ungeheuerliches Verbrechen, wofür er vier Jahren hinter den Gitter verbringen wird. So wird er lernen, sein Leben besser zu organisieren. Diese Tat ist aber schwer zu beweisen. Man müsste beobachten, ob sich der Verdächtige auf die Arbeit konzentriert oder nicht. Noch schwerer kann ich feststellen, ob er ungeregelte Pausen macht. Ich werde seine verlorene Zeit wiederfinden.
Ich gehe ihn beobachten. Er weiß, warum ich hier bin, aber er tut, als ob er überhaupt keine Ahnung hätte. So beginnt immer meine Ermittlung, denn alle stellen sich anfangs so an. Sie tun so, als ob sie pünktlich und gehorsam wären. Schließlich durchschaue ich aber alles. Zeit zu vergeuden, ist wie eine Droge, nach der man süchtig wird. Meine zwei Stunden sind vorbei und ich habe nichts entdeckt. Noch nicht.
Heute im Gericht verklagt man ein kleines Mädchen. Sie hat Zeit verschwendet, indem sie spielte, obwohl sie hätte lernen müssen. Sie ist noch jung, aber sie wird trotzdem bestraft. Die Erziehung der Kinder ist von großer Bedeutung. Die Geschichte dieses Mädchens hat mich bewegt, aber ich habe keine Zeit zum Nachdenken, denn ich habe noch zu ermitteln.
Ich sehe, dass der Verdächtige von meiner Anwesenheit genervt ist. Das ist immer ein gutes Zeichen. Wir gehen gemeinsam zur Gemeinschaftsarbeit. Wir brauchen genau zehn Minuten, um dort anzukommen. Ich sehe ihn zittern. Er hält an und so verschwendet er die Zeit. Ich kann ihn gleich verhaften, aber ich will noch seine Gründe erfahren. Dann kann ich dem Gericht einen guten Bericht einreichen.
“Warum halten Sie an? Wir haben doch keine Zeit!”
“Sehen Sie sich die Blumen an!”
Ich sehe mich um und ich bemerke ein paar Blumen, die man während der Gemeinschaftsarbeit gepflanzt hat.
“Die Pflanzen erzeugen Sauerstoff” antworte ich.
“Sie können viel mehr. Genießen Sie den Sonnenuntergang!”
“Die Sonne ist jeden Tag da und auf ihre Art immer pünktlich.”
Ich zögere nicht mehr, sondern ich verhafte ihn gleich. Ich habe die verlorene Zeit gefunden, aber seine Motive kann ich nicht durchschauen.
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Petya
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